Inges Dinge Das tägliche Miteinander

Grüetzi mitanand – Das tägliche Miteinander

War gerade mal wieder beim Zahnarzt. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, gab es im Wartezimmer nur Haute-Cuisine-Hochglanz-Magazine und klassische Mädels-Mode-Hefte. Die mit so spannenden Rubriken wie „in/out“, oder war es „go/no go“ und „vorher/nachher“ und halt so Zeug.

Auf einer anderen Seite wurde einem Hilfe angeboten. Bei Benimm-Fragen. Das ist immer aktuell. So wie’s aussieht wird das wohl auch nicht von Generation zu Generation weitergegeben. Jedenfalls stand da (sinngemäß) zu lesen: „Wenn ich beim Bergwandern wildfremden Menschen begegne und diese mich grüßen – muss ich dann zurück grüßen?“.
Also, sagen wir mal so, wenn eine schon darüber nachdenken muss, ob sie eventuell unnötig höflich sein könnte, und für diese Entscheidung einen Coach braucht, dann liegt doch was im Argen. Weil es als übertrieben gelten könnte, einem anderen Menschen freundlich zu begegnen – eine freundliche Geste zu erwidern, lässt man es vielleicht besser gleich bleiben. Ich habe bis dato gedacht, das ist ein Reflex: Du lächelst – ich lächle, du gähnst – ich gähne, du grüßt – ich grüße.

Vor Jahren saß man auch noch öfter im Wartezimmer des Kinderarztes und dort gab es – logisch – das Zentralorgan der deutschen Elternschaft und sonst nur Still-Broschüren zu lesen. Damals konnte man sich dort auf einer Seite an einer frühen Form des Shitstorms beteiligen: eine Leserin schilderte ein Problem und eine Ausgabe später waren die Antworten der Weltretter abgedruckt. Eine Mutter ärgerte sich beim Spazierengehen über freundliche alte Omas, die ungefragt in den Kinderwagen glotzten, selig „dei-dei-dei“ quietschten und womöglich – Skandal! – dem kleinen Sonnenschein über die Backe streichelten. Die Supermütter haben sich alle ausgeschüttet vor Entsetzen, u. a. wegen der körperlichen Selbstbestimmung und nur eine einzige meinte, die Fragestellerin solle doch froh sein, dass heutzutage überhaupt noch fremde Menschen ihrem Kind freundlich begegnen. Meine Mutter hätten diese Stressmütter wahrscheinlich angezeigt, weil sie bei solchen Gelegenheiten vor lauter Freude dem jungen Erdenbürger auch noch herzhaft in die Backe gekniffen hat.

Bei den eidgenössischen Nachbarn grüßt jeder jeden, ohne Ansicht der Person, zumindest auf dem Land. Schon Kinder werden angehalten, zuerst zu grüßen. Wer das gewohnt ist fühlt sich hierzulande in einem vollen Aufzug mitunter einsam und verloren.