vandalen im urlaub

Vandalen auf Urlaub

Auch wenn die Außentemperaturen in hiesigen Breiten Urlaub auf Balkonien ermöglichen, brauchen viele Menschen den Tapetenwechsel. Mal was anderes sehen. Zum Beispiel die Tapete anderer Leute.
Die Rede ist vom Haustausch. Vor Jahrzehnten von amerikanischen Dozenten initiiert, gibt es heute scheinbar endlos verschiedene Anbieter für das organisierte Tauschen der eigenen vier Wände (Homelink, Intervac, Interhome, tauschdeinhaus, homeforhome, etc.).

Meist wird dabei direkt getauscht, d.h. man bewohnt das Haus dessen, der im eigenen wohnen darf. Mit den Interessenten wird auch immer direkt via Internet verhandelt. Zeitraum, Anzahl Personen, Haustiere ja oder nein, Autotausch, etc. – Alles Verhandlungssache. Und vor allem Vertrauenssache. Frage Nr. 1 von Nicht-Tauschern: „Wie sieht denn eure Wohnung hinterher aus?“ „Ist denn da noch nie was schief gelaufen?“ folgt auf Platz 2 der Skeptikerliste. Man fragt sich, was die Leute für eine Vorstellung haben, womit sich andere im Urlaub die Zeit vertreiben: Parkett aufhacken, Kontoauszüge lesen, Zigaretten im Teppich austreten, Weinkeller leertrinken, etc.? Heinrich Zille behauptete seinerzeit „Jeder schließt von sich auf andere und vergisst, dass es auch anständige Menschen gibt“. Erfahrungsgemäß sind die Tauschpartner nämlich sehr bemüht, das Haus wie angetroffen wieder zu verlassen. In Gesprächen oder Mails erfährt man oft hinterher, wieviel Stress sich der Einzelne damit gemacht hat.

Es ist alles möglich. Von der Etagenwohnung in der Großstadt bis zum Landsitz an der Küste. Vorausgesetzt der andere akzeptiert die eigene Behausung. Wer keinen Wert auf Strandbestuhlung mit dem Lineal, Tourismushochburgen, Schniposaco (Schnitzel-Pommes-Salat-Cola) und all-inklusive legt, der hat die Möglichkeit, das jeweilige Land unter „Eingeborenen“ zu erleben. Wohnen, einkaufen und leben wie alle. Die meisten Tauscher sind umringt von Skeptikern und deshalb haben die Nachbarn gerne mal einen Blick auf die Neuen. Das ergibt interessante Momente, oft auch spontane Einladungen zum Grillen oder Saunieren (Finnland), auf jeden Fall viel Gesprächsstoff. Dabei sind die Nachbarn tatsächlich meist von den Hausbesitzern als „Hausmeister“ angeheuert und mit Telefonnummer hinterlegt (Heizungsausfall, Arzt-Eskorte, Flughafen-Shuttle, Brötchen-Service!)

Interessanterweise finden viele Frauen die Idee gut – sei es aus Neugier oder weil das Bett nichts kostet (Jahresbeitrag ca. € 100-120,-). Vielen Männern dagegen ist die Idee völlig suspekt. Und damit man nicht laut zugeben muss, dass es mit der Toleranz und Weltoffenheit nicht so weit her ist, gibt es ein Killerargument: „Wer will denn schon nach Schnarchenreuth/Korschenbroich/Schweinhausen in den Urlaub?“

Die deutsche Provinz kann aber für Gäste genauso reizvoll sein wie ein Bauerndorf in der Toskana, ein Häuschen in der Provence für unsereins. Bei der Jagd auf Prospekten in den umliegenden Touristenbüros für die Eigenwerbung erfährt man außerdem, dass die Heimat meist viel mehr zu bieten hat, als einem bewusst ist.

Ein weiterer Vorteil, wenn auch ein bisschen anstrengend, man sieht die eigenen vier Wände mit fremden Augen: einmal im Jahr wird mal so richtig aufgeräumt!