Nachhaltig von Kopf bis Fuß - Geht das überhaupt?

Nachhaltig von Kopf bis Fuß – Geht das überhaupt?

Faire Mode ist anders als ihre Schwestern Nachhaltiger Konsum und Slow Fashion kein fest etablierter Begriff in der Szene stilbewusster Fashionistas. Das mag viele Gründe haben. Einer davon ist sicherlich, dass Faire Mode klare Richtlinien einzuhalten hat, um tatsächlich als fair bezeichnet werden zu können. Und: Faire Mode ist nicht gleich Öko-Mode. Eine Damenbluse aus 100% natürlich eingefärbten Leinenmaterial muss noch lange nicht fair gehandelt sein. Was das Begriffspaar ‚fair & öko‘ gemeinsam hat, ist ihr Bezug zur Nachhaltigkeit. Bewusst Konsumierende legen einen großen Wert darauf, dass das neue Lieblings-T-Shirt fair gehandelt und ökologisch hergestellt wurde. In ihrem Zusammenspiel garantieren beide Ebenen nämlich eine vollständige Nachhaltigkeit des Textilprodukts.

 

Der Markt ist gefüllt mit Marken, die ihre Produkte als fair, vegan oder öko positionieren

 

Wer sich für einen bewussten Konsum entscheidet, sollte Geduld mitbringen. Hat es dem Textilmarkt bis vor einigen Jahren an fairer und ökologisch nachhaltiger Ware gemangelt, sieht es heute anders aus: Unzählige Marken und Hersteller präsentieren auf diversen Online-Märkten ihre Kleider, Hemden, Gürtel und Sneaker nachhaltig, vegan, öko-zertifiziert und fair – diese Begriffe lesen sich schnell. Manchmal trifft ein Begriff jedoch nur auf einen Teil des Öko-Kleids oder der nachhaltig verarbeiteten Ledertasche zu. Hier lohnt es sich, einen genauen Blick auf den Artikel der Wahl zu werfen. Faire Schuhe, natürlich gefärbte T-Shirts und Gürtel aus veganem Leder gibt es. Dass ein Artikel jedoch alle Ebenen der Nachhaltigkeits-Kette einhält, ist eher Seltenheit. Wir leben noch immer in einem kapitalistischen Markt. Nachhaltigkeit und bewusste Produktion der Güter sind teurer als die konventionellen Methoden, die sich in einem langsam aber sicher aussterbenden Paradigma auf Ausbeutung und sozialwirtschaftlicher Non-Balance gestützt haben. Solange wir uns also in einer Phase des Konsum- und Produktionsübergangs befinden, ist es ratsam auf Transparenz der Hersteller Acht zu geben. Viele Marken geben Informationen über ihre Produkte öffentlich preis und liefern genaue Zahlen und Fakten zur Verarbeitung und Herstellung ihrer Textilprodukte.

 

Eine blaugrüne Siegelkultur

 

Das blaugrüne Fairtrade Siegel auf schwarzem Untergrund ist vielen bekannt. Was manche nicht wissen: Es garantiert keine komplett fair gehandelten Produkte. Mit dem Unterbegriff ‚Certified Cotton‘ bezieht es sich ausschließlich auf soziale Standards, die bei der Weiterverarbeitung der in den Textilien verwendeten Baumwolle eingehalten worden sind. Aussagen über den Anbau der Baumwolle oder die Bezahlung der Baumwollbauern und -bäuerinnen trifft es zum Beispiel nicht. Ähnlich verhält es sich mit anderen Siegeln, die es mittlerweile ins kollektive Bewusstsein einer internationalen Konsumgesellschaft geschafft haben. Ein einziges Siegel, das alle relevanten Aspekte eines ganzheitlich fairen Textilprodukts gibt es bisweilen nicht.

 

Dafür herrscht ein Sammelsurium an Öko- und Fairtrade-Siegeln, die eine regelrechte Siegelkultur geschaffen haben. Kritische Stimmen sprechen hier von einer strategischen Praxis des Siegelkaufs. Denn in den meisten Fällen ist es so, dass ein Kleidungsstück nicht einfach mit einem Siegel zertifiziert werden kann, sondern dazu noch von Herstellerseite eine gewisser Geldbetrag gezahlt werden muss, um das Siegel verwenden zu dürfen. Es ist ein weit verbreitetes Gerücht, dass Hersteller sich so ihre Fairtrade-Siegel erkaufen, ohne die Standards tatsächlich einzuhalten. Jedes Siegel erfordert gewisse Mindeststandards und wenn diese nicht eingehalten werden, kann dieses Siegel nicht auf das T-Shirt, die Hose oder das Paar Schuhe gesetzt werden.

 

Ein verschärftes Konsumbewusstsein

 

Was stimmt ist, dass viele Siegel ihre Mindestanforderungen relativ niedrig ansetzen. So trifft es auf viele Siegel zu, dass kein Mindestpreis der Produzierenden vor Ort garantiert wird oder keine Kernarbeitsnormen festgelegt sind. Zu den Mindestanforderungen, die von einigen international fair handelnden Vertrieben an die Verteilung der Fairtrade-Siegel gestellt werden, zählen neben den eben genannten eine gesicherte Vorfinanzierung und ein gesetzlicher bzw. garantierter Mindestlohn. Anders als der Begriff „Öko“ bezieht sich „Fair“ auf genau solche Standards, die den sozial-wirtschaftlichen Bereich ins Auge fassen. Dieser wird oft und gerne ausgespart. Mit der neu-grünen Welle, die das Konsumbewusstsein der Bevölkerung nun seit einigen Jahren verschärft und schult, wird die Notwendigkeit sozial-wirtschaftlicher Standards allgemein gesellschaftlich verstärkt anerkannt.