inges dinge schoener wohnen andere

Schöner wohnen andere

Als Dankeschön für eine spontane Kaffeeeinladung oder für einen überraschenden Geburtstageintrag im neuen Kalenderblatt habe ich eine schnelle Lösung: das Magazin. Dafür bietet zur Not auch noch die Tanke genug Auswahl.

Es ist ein bisschen wie Speisekartelesen im Stammlokal: man scannt die Reihen, wägt und greift schließlich nach bewährtem. Üblicherweise trifft es den Garten oder das Interieur. Da kann man nicht viel falsch machen. Und da gibt es alles in allen Preisklassen. Das guckt sich Frau gerne mal an. Unterhaltsam in vielerlei Hinsicht.

Wer davon träumt, eine alte Karte mit Blick über die Algave mit ein wenig Geschick, ein bisschen Zeit, etwas Kleingeld und ganz viel handglasierten Minifliesen in ein 200 qm Schmuckkästchen zu verwandeln wird genauso fündig wie die Studentin, die mit Hilfe von schwedischen Designern und stabverleimten Brettern aus dem Baumarkt  auch noch in einer 16qm-Butze einen Raumteiler unterbringt. Geht nicht gibt’s nicht.  Schöne Bilder von schönen Räumen, mit Kontrasten, oder Ton in Ton – ganz in Weiß, perfekt in Szene gesetzt. Perfekt drapiert und ausgeleuchtet, ähnlich wie die erstaunlichen Blütenmeere auf halbschattigen Mini-Hinterhofbalkonen oder glänzenden chinesischen Nudelpfannen auf Suppentüten.

All made up. Das glaubt doch keiner.
Diese Menschen bekommen keine Post (naja, vielleicht nur E-Mails), jedenfalls liegt keine ´rum, in der neuen kühlen Wohnart wird auch sonst nix mehr gelesen (na gut, E-Books), schon gar keine Tageszeitung. Jeder hat nur ein paar Schuhe. Als wir vor Jahren in einem Haustausch-Urlaub kein einziges Paar Schuhe vorfanden, konnte ich mir nicht verkneifen, die Hausbesitzerin am Ende der Ferien danach zu fragen. Erklärung: Kurz vor Reisebeginn wurden sie dem Chaos nicht mehr Herr und schafften alle Schuhe in Umzugskartons zu den Nachbarn in die Garage. So stell ich mir das bei dieserart Homestory auch vor.

Aber wahrscheinlich sind es sowieso Werbe-Avatare, selten wohnen nämlich Tierpflegerinnen  oder Betriebsschlosser in alten Dorfschulen von 1753, auch keine Handchirurgen oder Heilerzieherinnen, Krankenkassensachbearbeiter oder Agentinnen von Hightech-Küchen-Multifuzzlern.

Diese Menschen, die liebevoll renovierte, ehemalige Wassertürme bewohnen, sind echte Habenichtse (abgesehen von der Immobilie), schon die Kinder bezeugen eine deutliche Neigung zum Konsumverzicht. Minimaler Edel-Kinderkram, ein einsames Cello, das war´s. Die meist freischaffenden Kreativen (Architekten, Web-Designer, Steuerberater usw.) haben oft niedliche Töchter in zartrosa Kemenaten. Im Jugendzimmer des alten Bahnwärterhäuschens (mit freistehender Emailwanne im 20 qm Bad) wohnt selten ein pickeliger Gothic-Jünger umgegeben von Kabelsalat und Lautsprecherboxen in der Größe von Duschkabinen.

Im Hauseingang blockiert keine muffige Sporttasche die Passage, keine panierten Mountain-Bike-Schuhe, keine Gummi-Granulat-Spur, die durchs Treppenhaus bröselt.
Aus keiner Steckdose lümmelt ein arbeitsloses Ladekabel. Nirgends findet sich die übliche Ansammlung von Karriere-Devotionalien wie Handy, Smart Card, I-pad etc. Der oder die fürs Kochen Zuständige reißt offenbar auch keine Rezepte aus Heften in Wartezimmern und klemmt sie für 5 Monate unberührt hinter den Brotkasten (Birnbaumholz).

Das Ganze gibt es auch in der Outback-Version, will heißen, alle Hefte tragen das Wort „Land“ im Titel. Ein anderes Erkennungsmerkmal: auf jeder zweiten Seite blitzt rot-weißes Vichy-Karo. Geweih-Trophäe, oder eine Kuckucksuhr. In Pink – sonst wär´s ja spießig. In Wirklichkeit wohnt man auf dem Land gerne in trendy Würfelhäusern, in minimalistisch bepflanzten Reißbrett-Gärten, bevorzugter Farbtupfer: anthrazit.
Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.