Mütter und Haustiere

Mütter und Haustiere

Die Schwiegertochter meiner Schwester findet, dass Kinder unbedingt mit Haustieren großwerden sollten. Deshalb möchte sie, dass die Oma einen Hund anschafft.

Das trifft die Sache im Kern. Haustiere sind pädagogisch wertvoll, aber anstrengend. Das will überlegt sein. Auch die ernsthaftesten Versprechen, unter würdelosem Flehen und Betteln hervorgebracht, ändern am Ende nix daran, dass die meiste Arbeit mit den Viecherln an den Erziehern hängen bleibt. Das heißt, man sollte unbedingt selbst Freude an Tieren haben und nicht nur dem Kind zuliebe handeln. Meine Freundin mag keine Tiere und schmetterte alle Interventionen seitens der Kinder ohne Ausflüchte konsequent ab. Deshalb nölte der Sohn einmal: „Sarahs Mutter hat wenigstens eine Allergie, aber du bist einfach nur blöd!“ Sauber.

Meine eigene Mutter konnte auch überhaupt nicht mit Tieren. Trotzdem ließ sie uns über die Jahre alles Mögliche an Hausgenossen durchfüttern. Kümmerte sich aber auch keinen Deut darum, wodurch wir, die wir auch keine Ahnung von der jeweiligen Spezies hatten, doch überfordert waren. Als da waren (nacheinander): Mehrere Generationen Goldhamster, ein Meerschweinchen, eine Katze mit vielen Jungen, ein Hund, ein Wellensittich, ein deutscher Riese (Kaninchen), eine Schildkröte und zahllose Zierfische.

Die Hamster sind allesamt eines unnatürlichen Todes gestorben (Schneckenkorn o.ä., Katzenbeute, Sonnenstich). Den Hund habe ich zum 6. Geburtstag von einem Onkel geschenkt bekommen, aber schon nach 6 Wochen hat ihn meine Mutter entnervt zurückgebracht: Wir wohnten damals über einer Glaserei und mussten das Kerlchen beim Gassi gehen erst mal über den allzeit mit Glassplittern übersäten Hof tragen. Außerdem wurde er durch den unbeaufsichtigten Umgang mit halben Schulklassen überfordert und schließlich unleidig und „giftig“. Armer Kerl. Auch der weiße Riese war ein Geschenk (wir hatten viele Onkel) und ein Ausbrecherkönig. Unser Vater hatte ihm extra ein geräumiges Gehege gezimmert. Ein paar Tage darauf noch einen passenden Deckel dazu, den der Hase aber immer wieder an einer Ecke aufbekam, um des Nachts die Tulpen der Nachbarn zu fällen. Abgesehen davon, dass dieser Umstand das ohnehin angeschlagene, nachbarschaftliche Verhältnis nicht verbesserte, kamen wir auch regelmäßig zu spät in die Schule, weil morgens immer erst mal Hasenjagd angesagt war. Am Ende verstarb der Nager plötzlich und unerwartet in der „Ferienpension“ (ein Freund unser Mutter – ein Hobbymetzger). Der Wellensittich war ein ebenso unabgesprochenes Geschenk, diesmal von der Großmutter (die es meiner Mutter auch sonst nicht recht machten konnte) und dieser fiel aus unerfindlichen Gründen schon nach kurzer Zeit von der Stange. Soviel zum Thema „Tiere verschenken“. Die Katze bescherte uns neben all den Mäusen und Vögeln über all die Jahre ca. 7 Würfe, deren Futter wir mit dem Ertrag von Rabattmarken finanzierten und die wir zum Glück alle an den Mann brachten. Die Aufzucht der Jungen war dafür eines meiner schönsten Kindheitserlebnisse überhaupt. Der erste Wurf war schwarz mit weißen Socken – bildschön – und brachte auch noch ein bisschen Geld für den Aufwand. Alle Nachfolger waren Straßentiger und schwerverkäuflich. Niemand kam auf die Idee, die Reihe durch Kastration zu unterbrechen. Die Schildkröte lief davon. Hinter unserem Haus verlief ein Bach. Die Schildkröte wurde nie mehr gesichtet. Und schließlich der Schwarm Zierfische, aus dem in schöner Regelmäßigkeit ein Exemplar unbemerkt aus dem Aquarium hüpften und auf dem farbenfrohen Perserteppichmuster zu spät wiedergefunden wurden.

Unsere tierischen Mitbewohner hatten sicher ein schlechteres Leben als heutige Versuchstiere. Und dabei waren wir nicht einmal vorsätzlich böse. Wir dachten, der Goldhamster kommt ja schließlich aus Syrien, da macht ihm doch ein bisschen Sonne nix aus. Wir hatten bloß keinen Schimmer.

Wenn ich heute in einer offenen Garage im Halbdunkel ein Kaninchenpaar in ihrer engen Standardbox sehe, weiß ich, dass sich bis heute noch nicht viel geändert hat.