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Der kleine Horrorgarten

Mein Vater sollte Recht behalten (das ärgert einen zusätzlich): pflanzt bloß nicht so viele Sträucher und Stauden, das müsst ihr alles immer stutzen.

Angesichts einer Bauschutt-Ödnis dachte ich vor Jahren, genau das will ich doch, dass alles zuwächst! Schön grün sollte es werden. Besser noch: bunt. Das Gelände war damals uneben, graubraun und weitläufig, weil ohne Zaun (der kam erst mit dem Hund). Und wir saßen auf dem Präsentierteller – jeder konnte uns in den Teller gucken.

Alsdann wurden durchsichtige, hüfthohe Sträucher gesetzt. An der Südseite kletterte bald ein Gewürztraminer das Spalier hoch. Schließlich wuchsen am langweiligen Maschendrahtzaun ein Wilder Wein und Hopfen als Sichtschutz. Ein (geschenkter) Baum sollte in Zukunft die Sitzecke beschatten und den Kindern als Kletterhilfe dienen. Der ein oder andere Kübel wurde bepflanzt, um die Platzangst beim Sonntagskaffee auf der Terrasse im Zaum zu halten.

Heute führen wir ein einsames Leben im Halbschatten, abgeschnitten von den Nachbarn und allem gesellschaftlichen Treiben. Die Armlehnen der Gartenstühle setzen schon Moos an. Manchmal, wenn die Sonne am Zenit steht, tänzelt ein einsamer Lichtfleck über das Kaffeegedeck und dann ist es wieder mal Zeit für die MACHETE. Denn wenn alles Grün erstmal richtig Wurzeln geschlagen hat, gibt es kein Halten mehr. Wenn die Glyzinie sich anschickt, das Fallrohr zu taillieren. Der Wilde Wein über den Rasen Richtung Hauswand wandert. Der Hopfen das Trampolin einzuspinnen droht, wie ein Monster im schwarz-weißen Gruselklassiker. Dann muss mal wieder hart durchgegriffen werden.

Und wir geben kein Pardon: der Wilde Wein wird auf den Haupttrieb runtergestutzt, die Spiräe ist nach dem Schnitt keine 20 cm mehr hoch. Der Flieder krass ausgedünnt. Das Weinspalier nach Vorgabe bis auf ein Blatt nach der Traube abgemäht. Und alle zwei Jahre braucht die Baumkrone eine Korrektur, sonst sitzen wir auch am Tag im Wohnzimmer bei elektrischem Licht.

Wenn wir mit der Raserei am Ende sind sieht der Garten aus wie ein Truppenübungsplatz. Aber schon nach vier Wochen hat sich die Natur erholt. Frisches Grün sprießt.
Jetzt erst recht! Der Schnitt weckt die Lebensgeister.

Zwischenzeitlich hat der Garten mal wieder ordentlich Sonne abbekommen und üppig Unkraut produziert. Nebenbei muss auch die Rasenfläche gelüftet und getrimmt werden. Bei unserem Handtuchgarten hätte seinerzeit ein Handmäher genügt. Aber Werkzeug für Männer braucht mindestens einen Stecker. Dafür bietet der Hausherr beim Umrunden von einzelnen Hindernissen und dem dadurch verursachten Kampf mit einem roten Verlängerungskabel viel Spaß für wenig Geld. (Die Hausfrau mäht deshalb nur, wenn keiner guckt).

Und wenn es nix zu gießen, zu schneiden und zu düngen gibt, dann gibt es noch Blattläuse, Mehltau und morsche Zaunpfosten für einen erfüllten Samstag.