Kann sich eigentlich noch jemand an die Mediensteinzeit erinnern?
Man saß mit spitzen Ohren neben dem Radio (alles musste still sein) auf dem Schoß ein Kassettenrekorder von Schaub Lorenz (perfekte Holzoptik) und versuchte, die neuesten Hits einzufangen – mit einem Minimum an Verkehrsfunk, Wetter- und Nachrichtenfragmenten. Unter den historischen Aufnahmen finden sich aber auch Unikate mit Telefonklingeln, quietschenden Straßenbahnschienen und Störgeräuschen vom Küchenmixer im Hintergrund. Und vor allem das abgewürgte Reingequatsche der Moderatoren bei langsam aus- und nachklingenden Stücken.
Das Qualitätsbild vervollständigten zudem Aufnahmen von Schallplatten, die ihrerseits schon derbe Gebrauchsspuren aufwiesen. Mit dieser Art Scratching waren wir unserer Zeit weit voraus.
Wer großzügige Paten hatte, bekam einen Kassettenrekorder mit Doppeldeck zur Konfirmation. Oder einen richtigen Ghettoblaster. Mit viel Geduld ließen sich damit die bösen Schnitzer rausschneiden. Um Batterien zu sparen wurde manuell mit Buntstiften vor- und zurückgespult. Oder Bandsalat sortiert. Wenn das Band aber unrettbar verknittert oder gerissen war, entfernte man den plissierten Teil mit der Nagelschere und flickte die Lücke mit Tesa. Damit konnten auch der Überspielschutz abgeklebt und gut gemeinte Geschenke von ahnungslosen, älteren Verwandten mit richtiger Musik überspielt werden.
Hingebungsvoll füllte man stundenlang Kassettenstapel mit Party-Mucke – abwechselnd Headbanger und Kuschelrock – für die ersten schwülen Kellerfeten. 60 Minuten pro Stück. Alles was länger lief – 90er oder 120er- hat mein Rekorder jedenfalls zuverlässig gefressen.
Was für ein Aufwand: Etiketten mussten erst noch aufgeklebt werden und der Inhalt wurde in Schönschrift in der Hülle aufgelistet. Das hat uns Nachmittage beschäftigt. Eigentlich echt kreativ.
Noch heute erwarte ich bei manchen, im Radio gespielten Stücken den Nachfolger, der seinerzeit danach auf meiner Kassetten mit einem kurzen Gurgeln anspielte.
