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Mehr Zeit für das Wesentliche

So wurde kürzlich ein intelligentes High-tech-Haushaltsgerät beworben.  Damit ködern sie uns schon sehr lange und sehr erfolgreich.  Und was ist jetzt das Wesentliche?

Die Mutter des Heimwerkers hat sich im Laufe ihres Hausfrauendaseins respektabel hochgearbeitet, was die technischen Errungenschaften zum Sparen von Zeit angeht. Nachdem die gute Miele den Waschtag im Keller am Trog (der Heimwerker saß dabei im Laufstall die ganze Zeit im Nebel) und das tägliche Windelnkochen auf dem Küchenherd abgelöst hatte, war schon mal viel Zeit gewonnen. In der Werbung jedenfalls hatten die Damen dann Zeit für Shopping und Kaffeekränzchen. Der Dampfkochtopf zauberte das Essen in kürzester Zeit auf den Tisch. Der Saugbürster brachte sie um die Frischluft-Fitness an der Teppichstange. Mal schnell durchsaugen. Und Zeit gespart.

Merzerisierte Baumwolle, Synthetikfasern  und Dampfbügler  machten das Bügeln zur meditativen Angelegenheit. Mit der Bügelmaschine war die Bett- und Tischwäsche ein Klacks. Die moderne Mietwohnung in einer abgelegenen Trabantenstadt verhalf ihr früher als anderen zum Führerschein (und Vattern war froh, dass er am Feierabend nicht noch in den Supermarkt chauffieren musste). Der größte Sprung war die Spülmaschine. Eine viertel Stunde nach dem Essen war die Küche erledigt. Marmelade, saure Gurken, Schnittbohnen – mit dem automatischen Einwecktopf musste man nicht mehr auf die Uhr schauen – und konnte nebenher anderes erledigen. Zum Beispiel den Wäschetrockner ausräumen. Schon wieder Zeit gespart. Das neue Haus war größer. Bald hatte man in jedem Stockwerk einen Staubsauger. Mit der aufblasbaren Trockenhaube  hatte man noch eine ordentliche Kabellänge Bewegungsfreiheit und konnte so die Wartezeit mit Nützlichem füllen und Zeit sparen.

Der Maschinenpark wuchs umgekehrt proportional zum Betreuungsaufwand für die Kinder, die irgendwann flügge wurden und nacheinander auszogen. Dafür bekam nun der Garten alle Aufmerksamkeit. Egal, wie viele kleine oder große Helfer ins Haus kamen, so lange ich sie kenne, hatte sie nie Zeit. Wofür auch? Auf jeden Fall nicht zum Vertrödeln. Käffchen trinken beim Einkaufen? Wo die anderen dazu immer nur die Zeit hernehmen? Nach dem Essen ein Powernap auf der Terrasse? Da denken ja die Nachbarn, sie hätte nix zu tun.

Und dabei hat sie dank der Technik so viel Zeit gespart über die Jahre. Und trotzdem nix auf dem „Konto“.

Der heutigen Homo digitalis, der mit seinem smart phone alles auf einmal erledigt, müsste eigentlich massig Zeit übrig haben. Er kommuniziert mit all seinen Bros gleichzeitig, bestellt Schuhe, Pizza, Bahntickets, Weihnachtsgeschenke per App, kommt dank Navi ohne lange Umwege und Korrekturen direkt ans Ziel, muss auf nix mehr warten und weiß auf einen Blick, was auf dem Konto los ist, wann die Fähre fährt und der Flieger fliegt und was abends so geht. Durchschnittlich 53 Mal am Tag, alle 18 Minuten unterbricht er dafür die Tätigkeit, mit der er gerade  beschäftigt ist. Und wird – gefühlt – nie fertig damit. Aber damit ist am Ende irgendwie auch nix gespart. Schon gar keine Zeit. Und wenn, würde er sie garantiert im Netz zubringen.