inges dinge keinen strich mehr als noetig

Keinen Strich mehr als nötig

In Elternblogs im Netz finden sich genügend frustrierte Eltern, die sich bei anderen Erziehungsberechtigten und Fachleuten Ratschläge erbeten. Wenn das Kind, z.B. schon in der Grundschule Zeichen von Lernverweigerung und Schulversagen zeigt. Wie soll es auch mit einem Notenschnitt von 3,6 jemals das Gymnasium bewältigen.

Natürlich gibt es auch entsprechende Seiten voller Tipps, wie man Kinder motiviert. Geht ganz einfach. Laut Netz. Motivation heißt das Zauberwort. Bei Leistung gibt’s Belohnung. Wer hätte das gedacht – in unserer Leistungsgesellschaft.

Und andersrum? Gibt es demnach bei fehlender Leistung Abstriche? Beim Essen, z.B.? Oder Liebesentzug? Eine Freundin hatte damals knapp das Gymnasium verpasst. Daraufhin hat ihr Vater monatelang kein Wort mehr mit ihr gesprochen. O.K., das war vielleicht eine extreme Ausnahme. Fußballtrainingsverbot? Keine schlaue Option bei Generation Z, die ohnehin mehr als alle Generationen jemals zuvor auf der Couch chillt – mit angewachsenem Smartphone. Handy-Entzug? Einen Teenager den ganzen Tag sich selber überlassen, ohne Kontrollmöglichkeiten – da schneiden sich die Helikopter-Mütter ja ins eigene Fleisch.
Was gibt es denn noch für Möglichkeiten? Hausarrest für Stubenhocker?

Ein Klassenkamerad unserer Tochter musste vom Au-Pair nach einem täglichen Sprint um den Esstisch an selbigem angebunden werden, für drei lumpige Rechentürmchen, die in 15 Minuten abgetan waren. Heute studiert er Medizin.

Die Tochter hat dagegen nach anfänglichen Schwierigkeiten immer alle Hausaufgaben komplett und pünktlich abgeliefert. Nie einen Strich kassiert.
Aber, obwohl die Bedingungen nahezu perfekt waren (hier eine aktuelle Auswahl aus dem Internet): freie Wahl des Arbeitsplatzes (Schreib- oder Esstisch), Ruhe im Haus, keine Ablenkung, Bruder ruhiggestellt, satt, entspannt, keine Ehekrise, kein Mobbing in der Schule, Angebote zur Bewegung an der frischen Luft, kein Androhen von Liebesentzug, kein Gymnasial-Zwang, nette Lehrer, keine unfairen Leistungsvergleiche  –  war sie fürs Extra-Lernen nicht zu motivieren (auch nicht via Lernspiele). Und sie war absolut niemals käuflich. Das Angebot einer Belohnung für eine bessere Note in der Klassenarbeit (Geld, Eiscreme, Kino, etc.) wurde mit „… dann lerne ich erst recht nichts mehr“ brüsk zurückgewiesen. Mittlerweile kämpft sie ehrgeizig um ihre eigenen Ziele.

Auch der Lütte hatte meist schon vor dem Essen die Hause fertig. Immer. Nicht ein Strich über all die Jahre. Keinen Tag gab es deshalb Zoff. Erst Pflicht, dann Kür. Von sich aus. Jedoch bei der Aufforderung, extra zu lernen, kommt der Hinweis, dass der Klassenlehrer die Meinung vertritt, wer im Unterricht mitmache, bräuchte zuhause nicht mehr viel tun. Und er arbeitet tatsächlich gut mit (laut Lehrer) – aber die Fachnoten sprechen eine andere Sprache.

Er wird ja sowieso Fußball-Gott, sagt er, und da braucht man keine 3 in Deutsch.
So, und jetzt?