gottes acker

Gottes Acker

Schon als Grundschulkind hatte ich ein Faible für Friedhöfe. Gemeinsam mit der Großmutter war ich regelmäßiger Besucher an Großvaters Grab. Der starb zwar schon 15 Jahre vor meiner Geburt, aber dank dieses Rituals wurde er trotzdem ein Teil meines Lebens.

Bewaffnet mit Gießkanne, Drahtbürste und einem alten Küchenmesser sorgten Oma und ich gemeinsam dafür, dass die Gedenkstätte ordentlich aussah: Blumen gießen, Unkraut ausstechen und Randstein schrubben. Ein ungepflegtes Grab gilt in meiner Heimat als Ungeheuerlichkeit.

Ansonsten spazierte ich damals auch gerne mal alleine durch die Grabreihen und freute mich meines Lebens, angesichts von Kindergräbern, auf deren Grabsteinen Jahreszahlen zu lesen waren, die meinem Geburtsjahr gruselig nahe kamen.

Seither bin ich regelmäßig auf Friedhöfen unterwegs. Allein oder mit Gleichgesinnten. Selbst in der Großstadt findet man dort immer einen Moment Ruhe. Obwohl drum herum die Stadtautobahnen rauschen – ein Ort der Stille. Die Menschen nicken stumm im Vorbeigehen. Wer Muse hat kann Vögel, Eichhörnchen und andere tierischen Parkbewohner beobachten. Träumen. Dösen. Lesen. Grabsteininschriften. Mitunter erkennt man die Wertschätzung für den Verstorbenen. Oder den Dünkel seiner Hinterbliebenen. Oberamtmann a.D.
Ein Platz zum Philosophieren – über Zeitgeist, Kriegselend, Geschichte.

Als ich noch mit dem Kinderwagen unterwegs war, fand sich dort immer ein ruhiges Plätzchen zum Füttern. Naherholung. Bei Städtetouren am Wochenende, ob Berlin, München, Stuttgart oder Köln –kann man hier auch mal kurz allem Trubel entfliehen und eine Pause einlegen.

In vielen Fällen gibt es interessante Broschüren und oft bieten die Verwaltungen Führungen für Interessierte an. Auf den großen Anlagen liegt auch immer Prominenz beieinander und die Friedhofsführer kennen die ein oder andere Anekdote über selbige.

Der größte seiner Art, der Ohlsdorfer Friedhof z.B. ist allein ein Wochenende wert. Er ist groß genug für eigene Buslinien (24 Haltestellen) und berühmt für seine Rhododendrenblüte im Frühjahr. Oder der alte Bergfriedhof in Hannover-Linden – er erblüht etwa zur gleichen Zeit in zartem Blau, dank eines Teppichs aus Scilla-Blüten. Anlass für ein jährliches Blütenfest.

Und auch in dieser Jahreszeit lädt der Gottes Acker zu einem Spaziergang. Jetzt ist er besonders schön. Die Parkanlagen tragen alle Farben, das Laub raschelt unter den Füßen und in der Dämmerung leuchten stimmungsvoll unzählige Grablichter.